Pressemitteilung des Arbeitskreis Gedenken Nienburg
Nienburger Gedenkveranstaltungen zum Holocaust-Tag vor dem Hintergrund intensiver Neonazi-Aktivität
Der Auftakt der Veranstaltungen aus Anlass des Internationalen Holocaust-Gedenktages fand am Freitag und Samstag vor dem Hintergrund intensiver Neonazi-Aktivitäten in Nienburg statt. Schon am Freitag hatten Mitglieder des Runden Tisches und des Arbeitskreises Gedenken berichtet, dass Personen aus dem rechtsextremen Umfeld in der Stadt gesehen worden seien. Während der Gedenkveranstaltungen auf dem Jüdischen Friedhof und im Rathaus – einer interreligiösen Andacht und anschließende Ausstellungseröffnung – wurde bekannt, dass die Partei „Die Rechte“ für den Vormittag des 28. Januar einen Aufmarsch in der Innenstadt angemeldet habe.
Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung „Breslau und seine jüdische Gemeinde“ im Vestibül des Rathauses rief Ulrike Kassube, Sprecherin des Runden Tisches, zu einer Informationsveranstaltung auf, mit der man sich am Samstagvormittag an die Öffentlichkeit wenden wolle. Die Veranstaltung, auf der Thomas Gatter, Vorsitzender des Arbeitskreises Gedenken, über das Thema „Rechte Gewalt im Holocaust – und heute“ sprach, verlief friedlich. Lediglich am Rande wurde ein Nienburger Sinto von einigen als rechtsradikal bekannten Personen bedroht.
Die Partei „Die Rechte“ trat entgegen den vorherigen Informationen sichtbar erst am Abend in der Weserstadt in Erscheinung. Gegen 18 Uhr versammelte sich ein einschlägiger Personenkreis von etwa 40 bis 50 Anhängern der Partei am Nienburger Bahnhof. Eine kleine Schar Gegendemonstranten sowohl aus dem bürgerlichen als auch aus dem antifaschistischen Lager hatte sich spontan eingefunden, um ihren Protest gegen den Aufmarsch der Rechtsextremisten zu bekunden. Dieser fand dann unter schwerstem Polizeischutz von etwa einer Hundertschaft unbehelligt statt. Die Marschroute der Rechtsradikalen führte über Wilhelmstraße, Goetheplatz und Bisquitstraße zum Bürgermeister-Stahn-Wall. Die abschließende Kundgebung fand gegen 19 Uhr auf dem Ernst-Thoms-Platz unter demonstrativem Entzünden von Fackeln ihren Höhepunkt.
In einer Bewertung der Geschehnisse äußerte sich Thomas Gatter bestürzt darüber, dass der Ablauf des diesjährigen Gedenkprogramms zum Jahrestag der Befreiung von Auschwitz durch ein derart massives Auftreten von Neonazis gestört werden konnte. „Das Timing dieses Fackelaufmarsches genau zwischen den Veranstaltungen am 27. und der Gedenkstunde der Nienburger Sinti am 29. Januar hat expliziten Drohcharakter. Man will uns einschüchtern“, so Gatter wörtlich. Der Vorsitzende äußerte auch Unverständnis darüber, dass eine rechtsextremistische Veranstaltung mit eindeutig nationalsozialistischer Choreographie mitten im Gedenkprogramm der Stadt genehmigt wurde. „Während am Rathaus die Fahnen in Verbeugung vor den Opfern des NS auf Halbmast wehen, dürfen am anderen Ende der Langen Straße die Nationalsozialisten von heute ihre Fackeln schwingen. Das ist unverständlich“, meinte der ehemalige Stadt- und Kreisarchivar. Der Arbeitskreis Gedenken werde das Gespräch mit den zuständigen Stellen der Stadt suchen, um zu erfahren, welche Überlegungen dafür Ausschlag gebend waren.