Veranstaltungsbericht : Geschichte des ersten Mahnmals für die Opfer des Nationalsozialismus in Nordeuropa

Ein Vortrag von Michael Legband

Ein frühes Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in der Kreisstadt Itzehoe mit einer  bewegten Geschichte, einer überraschenden Verbindung zu einer großen Persönlichkeit des internationalen Filmgeschäfts und mehreren Verknüpfung mit Hannover.

Michael Legband am Mahnmal in Itzehoe; Foto: Michael Ruff

Der aus Itzehoe stammende Journalist und Autor Michael Legband engagiert sich seit über vierzig Jahren für das Mahnmal und hat dazu unter anderem zwei Bücher publiziert und ein Film produziert. Seine aktuelle Publikation trägt den Titel: „Das Mahnmal – 75 Jahre gegen das Vergessen. Vom Umgang mit dem Nationalsozialismus in Itzehoe“ (ISBN 978-3-86935-412-5). Die intensive Recherche zur Geschichte des Mahnmals sowie die enge Freundschaft zum Initiator des Mahnmals Gyula Trebisch waren dem Vortrag von Michael Legband anzumerken. Ein informativer und sehr persönlicher Abend.

Zur Geschichte des Mahnmals

Gyula Trebitsch (1914 – 2008) wird 1914 in Budapest geboren. Er war ein deutsch-ungarischer Filmproduzent, der internationale Erfolge feierte. Zwei seiner wohl bekanntesten Werke sind „Des Teufels General“ (1955) und „Der Hauptmann von Köpenick“ (1957). Aufgrund seines jüdischen Glaubens wurden Trebitsch und seine Familie Opfer des nationalsozialistischen Regimes. 1942 wird Trebitsch in Ungarn zum Arbeitsdienst eingezogen. Nach mehreren Stationen als Zwangsarbeiter wird er in die Konzentrationslager nach Sachsenhausen, Barth und letztlich nach Wöbblin deportiert, wo er vom britischen Militär befreit wird. Nach der Befreiung u.a. im Itzehoe versorgt, entsteht bei Trebitsch die Idee, dort ein Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus zu errichten.

Mit der Gestaltung des Mahnmals beauftragt Trebitsch den in Itzehoe lebenden Architekten Fritz Höger. Schon 1932 in die NSDAP eingetreten, versuchte Höger immer wieder – allerdings ohne Erfolg – als Architekt für die Nationalsozialisten zu arbeiten und diese für seinen „deutschen“ Architekturstil zu gewinnen.[1] Im Rundfunk hetzte er gegen fremdländische Einflüsse auf die deutsche Architektur. Doch Gyula Trebitsch verteidigte seine Wahl. 1995 sagte er über Högers Beteiligung am Mahnmal: „Für Höger war das Mahnmal irgendwie eine Wiedergutmachung ganz persönlicher Art, für Menschen, die unter seiner früheren Gesinnung gelitten hatten.“[2] Seine größten Erfolge feierte Fritz Höger in den 1920 Jahren, mit Bauten wie dem Chilehaus in Hamburg und dem Anzeiger Hochhaus in Hannover.

Mahnmal in Itzehoe; Photos by Nightflyer

1946 wird das Mahnmal eingeweiht. Es ist zu diesem Zeitpunkt das einzige Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus in Nordeuropa und gehört damit zu den ältesten Mahnmalen für die Opfer des Nationalsozialismus in ganz Europa. Doch nach 10 Jahren in zentraler Lage wird das Mahnmal 1957 in den abgelegenen Stadtpark von Itzehoe verlegt. Die Verdrängung des Mahnmals ins Abseits ist sehr sinnbildlich für den Umgang mit dem Nationalsozialismus in den 1950er Jahren. Der ursprüngliche Standort gerät in Vergessenheit. Erst als Gyula Trebitsch auf einem Besuch in Itzehoe 1989 von der Verlegung des Mahnmals erfährt und diese anprangert, wird ein öffentlicher Diskurs angestoßen. 1995 kommt es zur Rückverlegung, sodass die große Gedenkveranstaltung zum 50-jährigen Bestehen 1996 am ursprünglichen Standort begangen werden konnte.

Der aus Itzehoe stammende Journalist und Autor Michael Legband engagiert sich seit über vierzig Jahren für das Mahnmal und hat dazu unter anderem zwei Bücher publiziert und ein Film[3] produziert. Seine aktuelle Publikation trägt den Titel: „Das Mahnmal – 75 Jahre gegen das Vergessen. Vom Umgang mit dem Nationalsozialismus in Itzehoe“[4]. Die intensive Recherche zur Geschichte des Mahnmals sowie die enge Freundschaft zum Initiator des Mahnmals Gyula Trebisch waren dem Vortrag von Michael Legband anzumerken. Ein informativer und sehr persönlicher Abend.


[1] Fritz Högers ideologische Verstrickung mit dem Nationalsozialismus wurde im Rahmen einer von der „Initiative Bauen mit Backstein – Zweischalige Wand Marketing e. V“ mit Unterstützung durch den „Bund Deutscher Architektinnen und Architekten BDA“ in Auftrag gegebenen und von dem Historiker Prof. Thomas Großbölting durchgeführten Studie veröffentlicht: Prof. Dr. Thomas Großbölting: Fritz Höger – eine politisch-professionelle Biografie, Münster 2022. (Die Studie ist digital verfügbar: Fritz Höger – eine politisch-professionelle Biografie)

[2] Zitat: Gyula Trebisch 1995, in: Michael Legband: Flyer „Das Mahnmal, erbaut, verdrängt, wiederentdeckt.“

[3] 1995 produzieren Michael Legband und Gyula Trebitsch einen Dokumentarfilm über das Mahnmal. Diese wurde 1996 im NDR gezeigt. Der Film befindet sich in der Privatsammlung von Michael Legband.

[4] Das Mahnmal – 75 Jahre gegen das Vergessen, Vom Umgang mit dem Nationalsozialismus in Itzehoe, Ludwig Verlag (ISBN 978-3-86935-412-5)